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25. Europatreffen 2006 - Bericht  von Petr Libánský

25. Internationales Europatreffen der AERO-Freunde
in Braunschweig vom 08. - 11.09.06


Bis zum letzten Moment weiß ich nicht, ob ich abfahren werde. Die Nennung sandte ich knapp vor m Anmeldungsschluss — keine Antwort. Zuletzt aber fahren wir mit zwei Dreißigern auf eigener Achse, Donnerstag Mittag, bei idealem, sonnigen Wetter von Bilá Hora nach Braunschweig. Wer? Ich mit meiner Frau Anna und Pepik Knourek mit Eva. Um nicht die Autobahnmarke zahlen zu müssen, fahren wir auf ganz interessanten Umfahrten über Kladno, Louny, Chomutov und Vejprty ins Erzgebirge. An einem angenehm aussehenden Parkplatz mit Erfrischung lassen wir die Aeros ausruhen. Die Bedienung typisch tschechisch aus den Zeiten der schlimmsten Totalität - ein ungefälliger Dickbauch im Sokol-Trikot bringt etwas zum Trinken. Aber Wasser zum Nachfüllen der Kühler lehnt er ab - wir sollen eine Flasche Wasser für 25 Kronen kaufen.

Wir fahren weiter an den Kämmen des Erzgebirges mit schöner Aussicht in das neblige Tal des Brüxer Beckens. Die Berggipfel sind nicht mehr kahl, wie noch unlängst, aber bewachsen mit gemischtem Wald, meistens mit Laubbäumen. Eine große und angenehme Änderung im Vergleich mit der Zeit vor ca. 30 Jahren, wo ich im Norden arbeitete und die Landschaft mit traurig emporragenden trockenen Baumüberresten wie eine Brandstätte aussah.

Vejprty ist ein schön gelegenes Städtchen. Die Zeit blieb hier aber in der tiefen sozialistischen Vergangenheit stehen, ergänzt damit, was die neuen Zeiten gebracht haben - abscheulich aussehenden Nacht-Clubs, Asiaten mit ihren Zwergen, Schmutz, Staub, einem Grossteil der schlecht instand gehaltenen Siedlungshäusern, die mit einigen schön aussehenden rekonstruierten Villen im Kontrast stehen. Eine Wechselstube gibt es nicht, Benzin für Marktpreise nur am Grenzübergang.

Grenzübergang gänzlich problemlos (noch immer kann ich mich daran nicht gewöhnen) und gleich über dem Bach das nett ausgestattete deutsche Städtchen Barenstein.

Im angenehmen Sommerabend fahren wir fort durch eine leicht gewellte Landschaft. Die Aeros schnurren zufrieden an anständigen Landstrassen. Wir betrachten die Umgebung - ein wenig stören uns viele Windkraftwerke, aber nach und nach gewöhnt man sich. Unweit Altenburg machen wir an einem einsam stehenden, als Pension eingerichtetem Gut halt. Nach Absprache der Übernachtung beeilen wir uns zum guten Abendessen in angenehmen Milieu einer Schulküche im unweiten Dorf. Ein wenig Nostalgie im Lokal, das mit einer Reihe von Lehrmitteln vom Anfang des (vergangenen) Jahrhunderts bis heute ausgestattet ist. Von der bereitwilligen Inhaberin erfahren wir, dass die nahe Schule, die schon über hundert Jahre funktioniert, wegen Mangel an Kindern geschlossen werden soll. Ein ähnliches Los erwartet eine Reihe von weiteren Schulen in der Umgebung - wie bei uns.

      
     Aeros im historischem Teil von Braunschweig

Am nächsten Tag bewölkt, wesentlich kälter, ideal für die Motoren der Aeros. Wir befahren das Grenzgebiet der ehemaligen deutschen Staaten. An vielen Stellen, besonders in der gewesenen Grenzzone, sind die Unterschiede eindeutig bemerkbar. Leute in der ehemaligen DDR finster dreinschauend, meistens auf ,,tschechische Art“ wohlbeleibt, Einkaufstaschen schleppend. Architektur düster. Fast jede 10 km Umfahrten, meistens aber gut bezeichnet. Wir irren nur selten und immer nur kurz. Die Grenzzone der DDR ist verlassen, verwachsene Gleisen und verlassene Bahnhöfe wirken zwar nostalgisch, aber nicht anregend. Endlich überschreiten wir die ehemalige Grenze in die BRD. Ich weiß nicht, ob es durch die Nachmittagssonne bewirkt ist, oder ob es wirklich so ist, aber ich habe den Eindruck, dass die Dörfer und Städtchen farbiger sind, die Leute lächelnd und manchmal den Aeros zuwinkend. Dank der Navigationsintuition meiner Mitfahrerin fahren wir ohne Zögern quer durch ganz Braunschweig und nach 525 km von der Bilä Hora machen wir Halt zwischen polierten Aeros am Parkplatz des Hotels Seminarius. Die Sonne scheint, es ist angenehm warm. Die Begrüßung von Frau Ehlers, der Gattin des Hauptorganisators des Treffens, ist herzlich und freundlich. Geduldig erklärt sie uns wohin, wann, was und wie.

Begrüßung und Erzählung nicht nur mit tschechischen Freunden. Ein interessantes Thema, eher als das Wetter und die Aeros, ist Karel Petschke, derzeitig in Alaska, der unentbehrliche Teilnehmer aller, nicht nur tschechischer Treffen. Ein modernes, zweistöckiges Hotel mit sportlichem Hintergrund - Tennisplätze, Schwimmbad usw. Abendessen in Form eines schwedischen Tisches, mit Möglichkeit des Sitzens innen oder außen. Steaks am Grill und weitere Leckerbissen am offenen Feuer. Alles gelassen und ruhig.  

 Der Morgen wolkig, etwas kühler. Die bekannten Töne und Geruch der startenden Aeros. Nach dem Frühstück, um halb neun – Start. Der Anfang : Mit dem rechten Hinterrad ein Brett anfahren, dann  genau 120 cm fahren. Nachher Abfahrt in Richtung Wolfsburg. Das Itinerar (Red.: Aufzeichnung noch nicht vermessener Wege bei Forschungsreisen)  abweichend von dem, an das wir gewohnt sind. Die  Fahrt ist aber problemlos, da wir gegenseitig in Sicht sind. Unterwegs zwei Sonderaufgaben. Wir werfen Hufeneisen und Keilriemen aufs Ziel und schätzen das Gewicht von einem Drahtrad. Freie Anfahrt zur Autostadt in Wolfsburg. Mittagessen in einer modernen, riesigen Halle, gemeinsam mit anderen Besuchern dieses Automobilkomplexes. Möglichkeit einer Auswahl aus einer großen Anzahl von Gerichten durch Selbstbedienung. Vom Veranstalter haben wir 10 Euro-Zahlkarten, den Rest zahlen wir nach. Nach dem Mittagessen Besichtigung des Museums. Ein dreistöckiges Gebäude beherbergt eine Reihe von prächtigen Exponaten, einschließlich des tschechischen Laurin und Škoda Popular Monte Carlo. Alles im imitierten zeitgemäßen Milieu. Die Wagen sind mit deutscher Gründlichkeit renoviert und bei einigen habe ich den Eindruck es handle sich um Repliken. Nichtsdestoweniger eine Freude fürs Auge und Gemüt. Für mich ist am interessantesten die Menge der zusätzlichen Ausrüstung – aus Vorkriegszeit, aber auch aus den 50. und 60. Jahren. Nach Besichtigung besteht die Möglichkeit vereinzelt stehende Hallen der einzelnen Marken, wie AUDI, Škoda, Bentley u.a. zu besuchen. Man ist aber ein wenig enttäuscht – sie dienen überwiegend der Reklame und zeigen am meisten 3 – 4 neue Fahrzeuge, die man zwar besteigen und  eingehend besichtigen kann, aber weiter nichts. Den eventuellen Besuchern empfehle ich, sich für die Besichtigung einen  ganzen Tag zu reservieren.

     Freie Abfahrt zum Hotel. Gemeinsames Abendessen, wiederum ein schwedischer Tisch, Verlesen der Ergebnisse in den einzelnen Kategorien. Zuletzt bekommt jeder Teilnehmer eine Gedenkplakette und eine Flasche Weißwein. Freie Unterhaltung.

     Sonntag morgens fahren wir im schönen sonnigen Wetter nach alt Braunschweig. Geparkt wird vor dem Rathaus und die Reste der renovierten Altstadt besichtigt. Wie auch eine Reihe weiterer Städte in Deutschland, wurde auch hier 90% der  ganze Stadt  während des Krieges vernichtet. 

    
     Rathaus Braunschweig

Gemeinsam fahren wir nach Gifhorn ab zur Besichtigung von Wind-, Wasser- und anderen Mühlen aus der ganzen Welt. Im ersten Eindruck überwiegen die großen russischen Windmühlen, angeführt mit einer orthodoxer Kirche, wo die Besichtigung eine Sonderzahlung erfordert. Das lehne ich resolut ab. Wir besichtigen stilvoll eingerichtete deutsche und holländische Mühlen, wo man Erfrischung und frisch in zeitgemäßen Öfen erzeugtes Gebäck, übrigens sehr gutes, kaufen kann. Wir spazieren an Hügeln inmitten von Wasserflächen, wo man auch Boote und Wasserräder mieten kann. Ein ruhiger Abend. Zum Hotel kehren wir individuell zurück. Der beliebte schwedische Tisch und freundliche Unterhaltung unterbrochen mit Abschiedsreden.  

    

                                                                 Mühlen in Gifhorn

      Beim Anhören von verschiedenen Lebensgeschichten kommt mir unwillkürlich vor, was für eine Gabe die Möglichkeit solcher Treffen – und nicht nur unter Aerofreunden – bedeutet. 

     Am Morgen scheint die Sonne, Abschied und Abfahrt nach Hause. Wir fahren zurück über Göttingen, diesmal durch die angenehm hügelige, waldige westdeutsche Grenzzone. Die eindeutig spürbare ehemalige deutsche Grenze passieren wir bei Eisenach. Wir fahren fort entlang der abwechseln in der DDR und BRD befindlichen Grenzwälle auf der Strasse Nr. 89 in Richtung Sonnenberg. In einem kleinen, unauffälligen Dorf finden wir Übernachtung in einem Gut. Das Gut wirkt trotz Abendsonne ein wenig düster. Es begrüßt uns eine alte Frau, man sieht, dass sie schon vieles erlebt hat. Sie etwas zurückgezogen, aber angenehm. Mit der Ankunft ihres grobschlächtigen, aber gutherzigen Sohns wird sie aber mitteilsamer. Sie führt uns durch das Hauptgebäude. Die Räumlichkeiten im Gut sind umfangreich, eingerichtet mit altem Möbel, teils kostbaren Stücken aus der Vorkriegszeit, teils klassischen aus dem Beginn der 50-Jahre. Sie zeigt uns alte Fotos und erzählt. Das Gut wurde von ihrem Urgroßvater vor dem 1.Weltkrieg gegründet. Zwischen den Kriegen war es ein gut prosperierendes Gut mit Zehnten Hektar Boden und einer größeren Anzahl von Vieh. Der 2.Weltkrieg hatte den Besitz ausnahmsweise nicht beschädigt. Nach dem Kriegsende hat sich hier darum die amerikanische Kommandantur angesiedelt und nach der Sektoreinteilung, wo die Grenze nur einige Hundert Meter westlich verlief, die sowjetische. Sie zeigt uns an der Tür mit kyrillischer Schrift gravierte Aufschriften. Bis zum Jahre 61, wo die Berliner Mauer errichtet und Deutschland hermetisch abgeschlossen wurde, arbeitete man im Rahmen der LPG im Grunde privat. Der folgende Aufbau der Grenzzone mit Stacheldraht, Minenfeldern und Maschinengewehrständen brachte mit sich die Ankunft von neuen Dorfbewohnern. Praktisch jeder war ein Kommunist und ein jeder bewachte den anderen. Doch auch in dieser Zeit wurde das private Eigentum im Rahmen der Genossenschaft zum Teil respektiert.

     Die Frau bereitet ein vorzügliches Abendessen nach unserem Wunsch und nur für uns. In den alten Schlafzimmern schläft es sich ausgezeichnet. Morgen wieder Sonne. Mit dem Sohn, der es sich nicht ausreden lässt, besuche ich mit dem Aero einen lokalen Fan, der einen alten Mercedes renoviert. Den Grossteil der Arbeit bestellt er in den nahen Böhmen.

 

    Das kleine stilvolle Gasthaus im Mühlenmuseum in Gifhorn

     Zur Grenze fehlen uns nicht einmal 100 km. Wegen meiner romantischen Veranlagung fahren wir mindestens 250 km an engen Strassen, durch tiefe Wälder und malerische kleine Dörfer in Richtung Rehau. Und dann noch eine Umfahrt des Ascher Ausläufers von der anderen Seite auf lokalen Wegen. Der Grenzübergang in Hranice ist geschlossen. Wir müssen weiter, über Adorf, das Städtchen Bad Brambach und in Richtung Vojtanov. Wir möchten das berühmte Franzensbad besuchen. Die Sonne scheint, der Weg ist angenehm, die Landschaft bewaldet, leicht gewellt. Wir freuen uns nach Hause ………..

     Grenzübergang Vojtanov  -  auch für einen abgehärteten ein Schock. Schmutz, Bordell (entschuldigen sie mich für den Ausdruck, aber es gibt keinen anderen, der entsprechen würde), zerknitterte Blechbauden unklarer Bestimmung, asiatische Markthallen, wie aus dem wirklichen wilden Osten, Gebäude der Freudenhäuser, Strassendirnen, ein äußerst abstoßendes Bild. Und schon wieder einige Fahrer mit dem typisch tschechischen rabiaten Benehmen. Ortschild „Františkovy Lázně“ (Franzensbad). Strasse mit Schlaglöchern, umher gebrochene Bäume, Landschaft mit zwei abgeschlagenen schachtelartigen Häusern. Eine perfekte Visitkarte. Überdrüssig kehren wir um und fahren gegen Sokolov in der Hoffnung, dass die Durchfahrt durch den Slavkover Wald angenehmer sein wird. Wir biegen ab in einen langen steilen Hang, durch einen tiefen Wald nach Kostelní Bříza. Das kleine Dorf, bis unlängst offensichtlich verlassen, die Kirche mit neuem Dach, sonst nur Seitenwände. Einige halbzerfallene Häuser und zwei oder drei Enthusiasten, die ein Haus wiederherrichten. Wir meiden eine Hinweisung, dass die Strasse unterminiert und die Fahrt auf eigene Gefahr ist. Auf einmal erscheint inmitten der Wälder ein Phantom – ein großes Panellenhaus, gebaut vielleicht auf dem Tank–Übungsplatz . Es heißt hier Rovná. Ich habe den Eindruck, dass es mir träumt. Die Strasse kaputt, stellenweise an der Grenze der Fahrbarkeit. Endlich sind wir an der Hauptstrasse zwischen Karlsbad und Pilsen. Rund um gepflegte Häuser, aber mit Gitter an den Türen und Fenstern. Bečov -  Schloss nach Reparatur ist wie aus einer anderen, diesmal angenehmeren Welt. Unter dem Schloss, im Gartenrestaurant ein spätes Mittagessen. Über Toužim auf Nebenstrassen zur Karlsbader Strasse und nach Prag. Weitere Eindrücke von den passierten Dörfern behalte ich lieber für mich.

     Wir freuen uns auf das  Aero-Treffen nächstes Jahr, diesmal in Holland.

Petr Libánský

Anmerkung der Redaktion:
Dies sind die von Petr
Libánský oben beschriebenen Fahrstrecken auf den eigenen Aero-Achsen

von Bilá Hora (Stadtteil von Pilsen) bis Braunschweig (ca. 530 km)
  und

von Braunschweig nach Pilsen (ca. 770 km)
wpe18.gif (128880 Byte)

Gratulation für das mutige Unternehmen! Vielleicht gibt es noch weitere Aerofahrer, die sich das demnächst zutrauen!?!?
Michael Strauch

 
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