06.11.2019
Zum Jubiläum der
100 Jahre seit der Gründung der Firma Dr. Kabeš, AERO, Flugzeugsfabrik, der
90 Jahre von Anfang der Automobil-Produktion und der
40 Jahre seit der Gründung der europäischen Aero-IG in Prag am 5. – 9.
September
Weil ich Aerovkár regelmäßig erstellen muss, konnte
ich im Organisationsteam des Jubiläumtreffens nur eine kleine Teilnahme
übernehmen. Trotzdem habe ich mich ein paar geringfügigen Aufgaben unterzogen
und so konnte ich die zwei Jahre dauernde Vorbereitung dieser Megaaktion
verfolgen. Am Anfang war ich sogar bei Verhandlungen mit der Leitung des
Flugzeugsmuseum in Kbely dabei gewesen.
Seit Anfang der Vorbereitungen war das klar, dass diese
Aktion nicht als eine sportliche sonst als echt gesellschaftliche Veranstaltung
erfasst wird. Die Vorstellung wie ca. einhundert Aerovkas im Pragerverkehr
fahren passt nur zu einem Horror-Film. Und deshalb schreibe ich diese
Erzählung für die Rubrik „Aus der Gesellschaft“.
Alles wichtigste was AERO seit Gründung bis zur
Verstaatlichung betrifft geschah in Prag. Die goldenen Aero-Jahre bieten so
ganz eindeutig das Hauptmotto des Zusammentreffens an – die AERO-Spuren in
Prag. Unter diesem Motto war das Feier-Programm auch konzipiert.
Für mich hat die europaweite Aktion bereits am Ende
August angefangen. Von dem Vorbereitungskomitee habe ich die Einladung zum
Besuch der Staatsmünzpräge in Gablonz an der Neiße bekommen. Es wurde an
diesem Tag die Produktion der Medaillen mit dem Portrait Hrn. JUDr. Vladimír
Kabeš und seinem Lebensmotto FIDELI SEMPER FIDELIS (für immer treu)
angefangen. Jirka Zítek hatte die Ehrenaufgabe die erste Medaille zu prägen.
Glauben Sie mir, das war ein seltenes Erlebnis. Die Presse schlägt in die
silberne Kalotte nicht nur einmal, sondern ca. zehnmal. Die Stempel sind
hochgehärtet und poliert in höchster Qualität (s.g. proof) und das Erzeugnis
ist aus der Presse schon in fertigem Zustand rausgenommen. Nach jedem Stück
wurden die Stempel sorgfältig sauber gemacht und gründlich kontrolliert. Wie
wir von einem sehr freundlichen Mitarbeiter erfahren haben, müssen bei der
Produktion dieser Art ca. 5% der Produktion auch bei geringfügigem und kaum
sichtbarem Fehler aussortiert werden. Nur zum Vergleich – beim Rundgang
konnten wir auch die Produktion der Kronen-Münzen sehen. Die Münzen schütten
sich aus der Maschine wie ein Wasserfall.
Jirka Zítek prägt die erste Medaille, es erfolgt sorgfältige Qualitätskontrolle
Das war nur kurze Bemerkung aus der Hinterbühne. Und
jetzt auf das Thema „die AERO-Prag-Spuren“. Der Ausgangsort war ganz
logisch das Areal Stará Aerovka (Alte Aerofabrik) in Kbely
(Übersetzerbemerkung: Die Hangars liegen wirklich am Rande des Stadtteils
Kbely und der Flughafen befindet sich schon im Stadtteil Letnany. Weil
üblicherweise die Hangars zum Flughafen gehören, ist die irrtümliche Angabe
„Aero in Letnany“ oft anzutreffen). Vor drei Jahre haben wir schon die
Rekonstruktion der Holz-Hangars erwähnt. Jetzt konnten wir die fertigen
Hangars mit vielen historischen und modernsten Exponaten mit vielen wertvollen
Exponaten aus der AERO-Produktion ansehen. Die Leitung des Areals akzeptierte
unser Angebot, auch die anderen AERO-Produkte zwischen den Flugzeugen
auszustellen. Meiner Meinung nach war das AERO-Rekord-Chassis mit
funktionsfähigem Motor sehr interessant. Wir freuen uns auf die Reportage aus
der Renovation durch den Eigentümer Jindra Šlesinger. Weiter konnten wir da
die Feuerwehrspritzpumpe mit dem Aero 50- Motor, den PKW-Anhänger, den
Motorradbeiwagen und natürlich interessante, schön renovierte Aero-Wagen
sehen.
Chassis eines Aero Rekord
Feuerwehrspritzpumpe mit dem AERO
50-Motor – beachten Sie den wassergekühlten Auspuffkrümmer
PKW-Anhänger und
Motorradbeiwagen aus der Aero-Produktion
Aero 662 (1930) und Aero 1000 Cabriolet
(1933) mit einer Karosserie von der Firma Snydr (Kolin, CZ)
Aero 662 mit Vierzylindermotor und Aero 30
Limousine
Der Samstagsverkehr ist ein wenig schwacher und so
konnten wir mit unseren Aero-Wagen in den Straßen von Prag ausfahren. Der
Besuch mit Führung in der historischen Abwasserklärstation (im Stadtteil
Bubenec) war nicht ganz zwecklos. In unmittelbarer Nähe befindet sich das noch
existierende Gebäude wo Herr Kabeš (damals noch mit Partnern) die erste
Werkstatt 1919 einrichtete – auch wenn die Firmenadresse in Prag I, Perštýn
12 war. Nach dem ersten Weltkrieg sind einige Flugzeuge der
Österreichisch-Ungarischen Monarchie übriggeblieben die regelmäßige Wartung
und Reparaturen erforderten, was in diesem Areal erfolgte. Das Gebäude ist
jetzt im Privatbesitz und teilweise umbaut. Aufgrund ungenügender Propagation
in Unterlagen, Unauffälligkeit des Objektes und anspruchsvoller Exkursion in
der Abwasserklärstation konnten nur wenige Aerofreunde das Gebäude besuchen.
Deshalb zusätzlich das Foto dieses historischen Objektes.
Foto links:
Michael Strauch und Daniel Dick vor der alten, ersten Werkstatt der Fa. AERO
von 1919
Foto rechts: Die Technik der Abwasserklärstation vom Anfang des
20. Jahrhundert
Der zweite Haltepunkt war der ehemalige AERO-SERVICE
aus dem Jahr 1935 in der Šalda-Straße in Karlín (damals war das die
Podebradova-Straße). Der allermodernste Autoservice seiner Zeit bietet seine
Dienste viele Jahre nicht mehr an. Das Gebäude wurde 1993 für
Administrationszwecke (wie sonst) rekonstruiert. 2002 stand das ganze
Stadtviertel Karlín unter Wasser. Bei der Überschwemmung erreichte das Wasser
die Höhe von 2,5 m auch in diesem Objekt. Heute ist das Haus als AERO HOUSE
wieder rekonstruiert und schließt die ursprüngliche Baulücke. Darüber haben
wir schon unsere Leser im Aerovkar Nr. 1/2016 ausführlich informiert.
AERO HOUSE, ehemaliger Aero-Service 1935
Der nächste Meilenstein auf der Strecke war genauso
interessant, aber ein wenig traurig. Wir haben die vielen Aerofreunde gut
bekannte Halle in Vysocany besucht. Wie die Fotos zeigen, befindet sich die
Halle in katastrophalem Zustand und sollte schon abgebrochen sein.
So war das die letzte Chance die Geburtsstätte der
Aero-Wagen zu sehen. Auf historischen Fotos können wir diese Halle als die
Dominante auf leerer Fläche sehen. Heute steht das Areal neben mehreren,
genauso baufälligen Objekte. Viele Aerofreunde konnte nicht glauben, dass es
sich wirklich um die berühmte Aerohalle handelt. Wo ist der bekannte Bügel
mit der stolzen Aufschrift AERO? Die Erklärung ist einfach. Nach der
Bombardierung am Ende des 2. Weltkrieges wurde die Halle rekonstruiert und in
den 50er-Jahren wurde da die Aeroproduktion beendet. Dann hat die Fa. Praga die
Objekte übernommen und für die Produktion der kleinen LKW angepasst. Deshalb
sind diese PRAGA A 150 oft als AERO 150 genannt. Das Stadtviertel Vysocany, das
wir als Industriezone kennen, ändert sich vor allem in eine Administrations-
und Geschäftszone. Auch das ist der Grund warum das Administrationsgebäude
ein viel besseres Schicksal hat – es ist komplett renoviert.
Die ursprüngliche Produktionshalle von
1923 in Vysocany ist zur Demontage verurteilt
Foto links: Administrationsgebäude nach der
Rekonstruktion
Foto rechts: Zurück im Areal Stará Aerovka –
hinten die Aero-Lagerhalle
Firma Aero ist nach der Verstaatlichung nicht in der
Historie verschwunden. In den 50er-Jahren zog die Produktion in ein ganz neues
Areal in Vodochody um. Noch immer unter der Marke AERO wurden dort die modernen
Düsenflugzeuge Delfín, Albatros und Alka hergestellt. Die modifizierten
Nachfolger werden da bis zum heutigen Tag produziert, wie sich die Aerofreunde
beim Besuch überzeugen konnten. In die Produktionshallen konnten wir nur von
Außen einsehen und fotografieren durfte nur der beauftragte Fotograf.
Die Aero-Kolonne vor den Produktionhallen in Vodochody – Aerovkas
soweit das Auge reicht
Bei dieser Produktionsstätte von Jagdflugzeugen
handelt es sich um ein Militärobjekt, sodass trotz Beschränkungen der Besuch
ein großer Erfolg war. Es ist da gut zu sagen, dass die
Trainings-Düsenflugzeuge (Übungskampfflugzeuge) von der Firma Aero auch bei
vorigem Staatssystem auf höchstem Niveau waren. Sonst würden diese nicht
weltweit verkauft worden sein. In der Flugzeugproduktion ist es anders nicht
möglich, Ideologie kann da keine Rolle spielen. Im Programm des
Zusammentreffens stand auch der Besuch des National Technisches Museums (NTM).
Für problemlosen Verlauf der Aktion haben die Organisatoren im Freitagsverkehr
als Transportmittel die Autobusse anstatt die Fahrt mit dem eigenen Aero
gewählt. Die Leitung des NTM ist uns entgegenkommen und die Mitarbeiter haben
einige Exponaten ausgestellt die gewöhnlich im Depot gelagert sind.
Foto links: Schnitt durch den Antrieb eines AERO 50
Foto rechts: Einer der noch
existierenden Prototypen AERO Rekord
Die Krönung des ganzen Jubiläumstreffens war die
Abendveranstaltung. Die Aerofreunde konnte sich da mit den Nachkömmlingen der
berühmten Persönlichkeiten treffen und durch diese sich an die goldene
AERO-Ära erinnern lassen. Die Frauen Marianna Kabeš und Alexandra Kabeš, die
Enkelinnen von Herrn JUDr. Vladimír Kabeš, haben anspruchsvolle Anreise mit
weiteren Familienangehörigen aus USA und Frankreich unternommen. Die Einladung
erhielt auch Herr Pavel Turek, der Sohn des berühmten Renner Bohumil Turek.
Weiterhin konnten wir auch sehr geehrte Gäste begrüßen: Hrn. Miroslav Khol
als Vertreter des Militärhistorischen Institut, Hrn. Jan Šíma,
Flugzeugsmuseum Kbely, Hrn. Tobiáš Tvrdík, Aero Vodochody, Hrn. Petr Kožíšek,
NTM, Frau Bára Horáková, FKVH CR, Frau Hana Plecitá, Stadt Odolena Voda und
Herrn Karel Kupka, Motor Journal. Das feierliche Übergeben der
Erinnerungsmedaillen übernahm gnädig in memoriam der erste Präsident der
Tschechoslowakischen Republik, Herr Tomas Garrigue Masaryk mit Assistenz von
Offizier der Armee der ersten Republik und eines tschechoslowakischen
Legionärs.
Das war komisch, wenn beim Vorstellen der Herren der
Name des Präsidenten Masaryk gesagt wurde und jemand der Organisatoren rief
ängstlich „nicht nennen“. Das konnte ich nicht begreifen, weil nur der
Herr Präsident die konkrete Person war. Der Mensch hat vergessen, dass wir
schon 30 Jahre frei den Namen unseres ersten Präsidenten sagen und das sogar
lautstark aussprechen können! In meiner Reportage sind die einzelnen
Ereignisse nicht chronologisch angeordnet und sicher kann man noch mehr
erwähnen. Das überlasse ist gerne jemanden der vielen Teilnehmer. Ich führe
auch keine Bewertung der Jubiläums-Zusammentreffen durch, weil ich weiß wie
viele problematische endlose Verhandlungen mit Institutionen die Organisatoren
geführt werden mussten und ich würde davon beeinflusst.
Präsident Masaryk und Frau Marianne
Kabes
Als Erinnerung an das Treffen erhalten die
Damen Marianne und Alexandra Kabes Geschenke aus der Hand des Offiziers und
Herr Pavel Turek (rechts)
Am Ende möchte ich in Namen des ACC Prag bei allen
Beteiligten bedanken, die sich an der Vorbereitung der Aktion und auf der
Durchführung beteiligten. Das waren – mit Jirka Zítek in vorderster Linie
– Michal Fiala jun., Jarda Dufek, Honza Wagner, Ondra Nachtigal, Honza
Jankovec, Stána Havlícková, Pavel Ferro und weitere, die ich nicht kenne.
Großes Dankeschön gehört auch allen Teilnehmern, die nicht zweifelten das
Familienbudget zu brechen und viel Geld für diese Aerofeier auszugeben. Es
wird mich freuen Ihre Erlebnisse und Eindrücke für unsere Zeitschrift zu
bekommen.
Auf Wiedersehen nach 100 Jahre, die Aeros werden sicher
da noch immer fit sein!
Josef Knourek
Aus Aerovkar 4/2019
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